Tiere in der Ethik

Typ: Seminar
SWS: 2
Credit Points: k.A.

Kursbeschreibung / -kommentar

"Wie die Hausfrau, die die Stube gescheuert hat, Sorge trägt, dass die Türe zu ist, damit ja der Hund nicht hereinkomme und das getane Werk durch die Spuren seiner Pfoten entstelle, also wachen die europäischen Denker darüber, dass ihnen keine Tiere in der Ethik herumlaufen. Was sie sich an Torheiten leisten, um die überlieferte Engherzigkeit aufrechtzuerhalten und auf ein Prinzip zu bringen, grenzt ans Unglaubliche."

Das Problem, auf das Albert Schweitzer (1875-1965) mit diesen kritischen Zeilen aufmerksam machen will, hat mindestens zwei Dimensionen. Die Frage, inwieweit wir zur ethischen Rücksichtnahme auf Tiere verpflichtet sind, betrifft unsere praktische Lebensgestaltung im Alltag wie kaum eine andere. Wenn es unmoralisch ist, Tiere zu töten, zu verzehren oder medizinische Versuche an ihnen vorzunehmen, dann begehen, unterstützen und tolerieren die meisten Menschen durch ihr Konsumverhalten jeden Tag mehrfach moralisches Unrecht von nur schwer vorstellbaren Ausmaßen. Individuen und Gesellschaften, die ihr Leben nach moralischen Grundsätzen ausrichten wollen, kommen daher an einer Klärung der Frage nach dem ethischen Status der Tiere nicht vorbei.

Die zweite Dimension des Problems ist eher theoretischer Art. Bereits Pierre Bayle (1647-1706) hat darauf hingewiesen, dass die Berücksichtigung der Tiere als eine Art Prüfstein für philosophische Theorien dienen kann. Nimmt man diese Idee im Bereich der Ethik ernst, so müssen ethischen Theorien, die nicht in der Lage sind, unsere moralischen oder als moralisch relevant wahrgenommenen Gefühle und Intuitionen gegenüber Tieren auf angemessene Weise zu erklären, grundsätzlich als defizitär betrachtet werden.

Beide Dimensionen des Problems sollen im Laufe des Semesters thematisiert werden. Im Zentrum des Proseminars steht damit nicht nur die Klärung der konkreten Fragestellung nach dem ethischen Status der Tiere, sondern gleichzeitig eine Einführung in die wichtigsten neuzeitlichen Moraltheorien, deren Stärken und Schwächen insbesondere am Beispiel ihres Umgangs mit der Frage nach dem ethischen Status der Tiere kritisch gewürdigt werden sollen.